ERP im Mittelstand: Eine Lösung, die wächst

ERP Projekt im Mittelstand

Inhaltsangabe

Die Digitalisierung und Optimierung von Geschäftsprozessen durch ein passendes ERP-System stellt für mittelständische Unternehmen eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft dar.

Seit nun mehr 22 Jahren befasse ich mich mit der Einführung von ERP-Systemen im Mittelstand und doch musste ich jetzt einmal googeln, wie dieser Begriff Mittelstand genau definiert ist. Die zügige Suche ergab:

  • 50-499 Mitarbeiter
  • Umsatz zwischen 10 und 50 Mio. Euro

Quelle: IHK Hamburg

Das Institut für Mittelstandsforschung gibt noch drei weitere Kriterien an:

  • Einheit von Eigentum, Haftung und Führung.
  • Bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen (direkt oder indirekt) halten mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens.
  • Diese natürlichen Personen gehören der Geschäftsführung an.

Das soll fürs Erste an Begriffsdefinition genügen. Für mich persönlich hat die Definition ergeben, dass ich sicherlich 90% meiner Projekte in dieser Kategorie von Unternehmen durchgeführt habe.

Wann lohnt sich ein neues ERP-System im Mittelstand?

Für mittelständische Unternehmen wird die Einführung eines ERP-Systems dann unerlässlich, wenn bestehende Prozesse und Systeme nicht mehr mit dem Wachstum und den sich ändernden Anforderungen des Unternehmens Schritt halten können. Ein guter Zeitpunkt für die Implementierung eines neuen Systems ist erreicht, wenn die aktuellen Arbeitsweisen ineffizient werden, Daten nicht mehr transparent und zugänglich sind, und wenn die Koordination zwischen verschiedenen Abteilungen zunehmend komplexer und fehleranfälliger wird. Konkret: Wenn bisherige Systeme wie ein Warenwirtschaftssystem nicht mehr ausreichen.

Ein ERP-System lohnt sich, wenn es darum geht, Geschäftsprozesse zu standardisieren, zu automatisieren und eine einheitliche Datenbasis zu schaffen, die eine bessere Entscheidungsfindung und eine effizientere Ressourcenverwaltung ermöglicht. Insbesondere in Phasen des schnellen Wachstums oder bei der Erschließung neuer Märkte kann ein neues ERP-System dazu beitragen, die Skalierbarkeit des mittelständischen Unternehmens zu sichern und die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung zu legen.

Auswahl eines ERP-Systems für ein mittelständisches Unternehmen

Die Auswahl eines ERP-Systems im Mittelstand kann man sicherlich ganze Bücher schreiben. Dies liegt in meinen Augen hauptsächlich daran, dass Sie als Unternehmer „aus dem Vollen“ schöpfen können. Es gibt kaum Systeme am Markt, die sich diesem Segment an Unternehmen nicht anpreisen, was sicherlich auch daran liegt, dass in Deutschland 99% der Unternehmen dieser Gruppe angehören.

Es gibt sowohl das „kleine“, spezialisierte System mit dem entsprechenden Anbieter, aber auch die Großen wie Microsoft (sowohl mit Business Central (früher Navision), als auch mit „Dynamics 365 Finance & Supply-Chain-Management“), Oracle und SAP spielen in dem Segment eine große Rolle.

Und wie immer, wenn die Auswahl zu groß ist, hat man das Gefühl, eigentlich nur alles falsch machen zu können. Das geht bei der Auswahl im Supermarkt los, über die Auswahl eines neuen Autos, aber auch bis hin zur ERP-Auswahl für das eigene Unternehmen (vgl. das Auswahlparadox). Zu groß die Auswahl, noch größer die Versprechungen der Marketingabteilungen. Dazu kommt auch, dass man sich ja nicht nur für ein System, sondern vorwiegend auch für einen Anbieter entscheiden muss.

In meinen Augen gibt es zwei valide Möglichkeiten, sich der Aufgabe zu nähern:

  1. Eine professionelle ERP-Auswahl, bei der zuerst einmal die Anforderungen Ihres Unternehmens aufgenommen werden, um so sicherzustellen, dass hinsichtlich der Anbieterauswahl eine gewisse Objektivität möglich ist.
  2. Kopieren, in der Schule hätte man es „vom Nachbarn abschreiben“ genannt. Wenn Sie ein Unternehmen kennen, welches gleichwertig zu Ihrem ist, relativ aktuell ein ERP-System eingeführt hat und weiterhin mit Anbieter und Software zufrieden ist, gibt es in meinen Augen keinen Grund, diesen Anbieter nicht einmal einzuladen, um herauszufinden, ob er nicht auch für Sie eine gute Wahl wäre. Bevor man dies tut, sollten allerdings einige Punkte aus Option 1, also der Aufnahme von Anforderungen durchgeführt werden, damit Sie eine Grundlage haben, das Gesehene dann auch zu bewerten.

Egal für welchen der beiden Ansätze Sie sich entscheiden. Die Strategie sollte vorher feststehen. Welche Systeme habe ich aktuell, welche möchte ich ablösen, welche behalten und bei welchen Systemen bin ich ergebnisoffen? Des Weiteren hilft es bei der Auswahl, wenn Sie sich im Vorhinein mit Themen auseinandersetzen, welche innerhalb des Auswahlverfahrens definitiv auf Sie und Ihre Mitarbeiter zukommen. Überlegen Sie, inwiefern bestimmte Punkte ggf. nicht zu verhandeln sind, bzw. Ausschlusskriterien darstellen. Immer wenn Sie solche Punkte identifizieren, verringert das den Pool an möglichen Anbietern und erlaubt ein solch zielgerichteteres Auswahlverfahren.

Im Folgenden ein paar Beispiele dazu:

  • Das Hosting:
  • Das Lizenzmodell:
    • Kauf + jährliche Wartung
    • Miete
  • Projektdurchführung:
    • Hauptsächlich Remote
    • Mit Beratern vor Ort

Diese Punkte sind entscheidend, um eine Lösung zu finden, die nicht nur die Software- und Funktionsanforderungen Ihres mittelständischen Unternehmens erfüllt, sondern auch die Einführung und den Betrieb des Systems in Einklang mit Ihren Geschäftsprozessen und der Digitalisierungsstrategie bringt.

Das Projektteam: Schlüssel zum Erfolg

Das eingesetzte Projektteam und die Planung seiner Mitglieder spielt in Mittelstandsprojekten wahrscheinlich DIE zentrale Rolle. Sie können bei der Auswahl von System und Anbieter alles richtig machen und doch im Projekt auf größte Probleme stoßen. Zu viel gibt es bei der Zusammenstellung des Teams zu beachten.

ERP-Projektteam im Mittelstand

Die Größe des Teams: Effizienz und Engagement

So klein wie möglich, so groß wie nötig ist hier die Devise. Es ergibt wenig Sinn, wenn zu viele Personen in dem Team sind, auch wenn Sie dann vielleicht überzeugt sind „alle mitzunehmen“. Das, was im Endeffekt passiert ist, dass die einzelnen Teammitglieder zu wenig Zeit für das Projekt haben, da Ihr Unternehmen nicht auf so viele Personen lange verzichten kann. Sechs Personen, die sich einen Tag mit dem Projekt beschäftigen, sind nun einmal kein adäquater Ersatz für zwei Personen, die sich drei Tage damit beschäftigen.

Die Ausbildung des Teams: Fundament für den Projekterfolg

In meinen Augen spielt die Ausbildung des Projektteams eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass das Projekt ein Erfolg wird. Dabei spielen die Schulungen in der einzusetzenden Software zwar eine wichtige Rolle, genauso unverzichtbar erscheint es mir aber, die Projektmitglieder in der Durchführung von ERP-Projekten zu schulen.

Es macht absolut Sinn ein paar Tage vor dem Projektstart (vor Beginn der ersten Workshops mit dem ausgewählten Anbieter) zu investieren, um allen Mitgliedern ein Grundverständnis dafür zu geben, wie Projekte dieser Art durchgeführt werden, was sie erwartet und wo mit Schwierigkeiten zu rechnen ist. Diese Schulung findet idealerweise dann statt, wenn sich mit dem Anbieter auf eine Projektmethodik geeinigt wurde und wenn erste Pläne (insbesondere Phasenplan und Projektplan) erstellt wurden. Während der Durchführung des Projektes ist es, die Aufgabe des Projektleiters zu hinterfragen, ob der Kenntnisstand des Teams ausreicht, oder ob ggf. noch einmal nachgeschult werden sollte.

Das mittlere Management / Entscheidungskompetenz: Schlüsselrollen definieren

Ich habe schon Projekte durchgeführt, in denen fast das gesamte Projektteam aus Mitgliedern des mittleren Managements bestand. Dies war natürlich auf der einen Seite gut, da diese Personen in den allermeisten Fällen mit den erforderlichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind. Ein großes Problem ist in solchen Fällen aber natürlich die Verfügbarkeit der Keyuser. In meinen Augen macht es wesentlich mehr Sinn, dass die Keyuser eben nicht aus dieser Hierarchieebene kommen.

Trotzdem ist es unabdingbar, dass die Keyuser für ihren Bereich wissen, worauf es ankommt, und die erforderliche Entscheidungskompetenz mitbringen. Dennoch müssen sie aber auch Entscheidungen treffen wollen. Es ist nun mal unglaublich ineffizient, wenn Workshops stattfinden, und man sich innerhalb dieser Workshops nicht auf Ergebnisse einigen kann, weil entweder niemand eine Entscheidung treffen will, oder, fast noch schlimmer, diese im Nachhinein immer wieder von Vorgesetzten einkassiert werden. Das Ergebnis sind mehrfach wiederholte Workshops und Teammitglieder, die nur darin bestärkt werden, besser keine Entscheidungen zu treffen

Die Stimmung im Team: Einheit und Motivation

„Elf Freunde müsst Ihr sein“. Jeder kennt diesen Spruch, bzw. den Roman. Ich denke, dass man diesen Satz ganz gut auch auf Projektteams übertragen kann. Die Stimmung im Projekt, das respektvolle Miteinander und die Abwesenheit von Miesepetern, sind Voraussetzungen, die man kaum hoch genug bewerten kann. Ich durfte immer wieder miterleben, wie „theoretisch“ top aufgestellte Teams sich im Projekt unglaublich schwertaten, während „normal“ aufgestellte Teams geradezu leichtfüßig Ergebnisse erzielten.

Es reicht schon eine Person, die nicht Teil des Teams sein möchte, gegen das Projekt ist oder auf sonstige Art und Weise „dagegen“ ist. Wenn diese Person, was leider meist der Fall ist, diese Haltung den anderen Mitgliedern immer wieder mitteilt, kann man zuschauen, wie die Moral sinkt. Das Gleiche gilt natürlich dann, wenn sich einzelne Teammitglieder untereinander nicht verstehen. Auch diese Art des Konflikts führt dazu, dass die Leistung der gesamten Gruppe sinkt.

Die Projektmethodik, die Projektdurchführung: Anpassung und Flexibilität

Die meisten ERP Anbieter, mit denen ich bisher zu tun hatte, bringen eine fertige Projektmethodik mit. Diese haben größtenteils tolle Namen in denen gerne Begriffe wie agil, activate, accelerate, surestep und was weiß ich nicht noch alles drinstecken. Jede Methode ist natürlich die, die den Erfolg sozusagen in sich trägt und Sie als Unternehmer müssen dieser nur noch folgen.

Diese Methoden, sofern sie denn überhaupt als solche bezeichnet werden sollten, orientieren sich in erster Linie natürlich an den Anforderungen des Anbieters, da er diese versucht in allen seinen Projekten einzusetzen. Ich sehe es als eine meiner Kernaufgaben in allen Projekten, die ich leite oder begleite, die vorgeschlagene Projektmethode, mit meinem Kunden und dem Anbieter zusammen, auf die Bedürfnisse meines Kunden anzupassen. Es gibt nun mal keine Methode, die man ohne Anpassung in jedem Projekt anwenden kann und die jedes Projekt automatisch zum Erfolg führt.

Hier nur mal exemplarisch ein paar Themen, welche man bei der Anpassung von Projektmethoden berücksichtigen muss:

  • Anzahl und Verfügbarkeit der Keyuser
  • Entscheidungsfindung im Analyseprozess
  • Zugriff auf, und Verfügbarkeit von, Lenkungskreismitgliedern
  • Anforderungen an Termin- und Budgetsicherheit (Stichwort agile Projektmethodik)
  • Anforderungen externer Stakeholder
  • Saisonale Einflüsse (Weihnachtsgeschäft, Sommersaison und dergleichen)
  • Wissensstand Ihres Projektteams bei Projektbeginn

Die Rolle des Betriebsrats in ERP-Projekten

Ein Aspekt, der in der Planungsphase von ERP-Projekten im Mittelstand nicht unterschätzt werden darf, ist die Einbindung des Betriebsrats. Die meisten Mittelständler haben nämlich einen Betriebsrat.

Aus meiner Erfahrung ist der Betriebsrat nicht dabei, wenn der ERP-Anbieter ausgewählt wird, muss dann aber im Projektverlauf eingebunden werden. Dabei geht es dann häufig um sensible Themen wie Änderungen im Bereich der Betriebsdatenerfassung oder Präsenzzeiterfassung, Urlaubssperren für wichtige Projektphasen oder Mehrarbeit der Projektmitglieder und deren Vertretung. Eine frühzeitige und transparente Kommunikation mit dem Betriebsrat kann hierbei helfen, Missverständnisse zu vermeiden und die Akzeptanz für das Projekt zu erhöhen.

Projektbeteiligung: Sicherstellung der operativen Vollständigkeit

Die Einführung eines neuen ERP-Systems im Mittelstand ist ein entscheidender Schritt, der eine umfassende Beteiligung und Verantwortungsübernahme aller Beteiligten erfordert. Zentral ist dabei, dass der operative Kern des Unternehmens durch die ERP-Software optimal unterstützt wird, um die Geschäftsprozesse effizient zu gestalten und die Unternehmensleistung zu steigern. Gleichzeitig muss das ausgewählte ERP-System eine technologische Offenheit aufweisen, die eine nahtlose Integration und Anbindung zusätzlicher Funktionen ermöglicht.

Dies ist insbesondere für Funktionalitäten relevant, die über den Standardumfang des ERP-Systems hinausgehen, wie ein fortschrittliches Dokumentenmanagement (DMS), leistungsstarke Analysetools (Business Intelligence) für datengestützte Entscheidungen und Konsolidierungswerkzeuge, die zur Erweiterung und Skalierung der Unternehmensfunktionen beitragen. Die Flexibilität und Erweiterbarkeit des ERP-Systems sind somit entscheidende Faktoren, die den langfristigen Erfolg und die Anpassungsfähigkeit an die dynamischen Anforderungen der Mittelständler sicherstellen.

Die effektive Nutzung der Daten und Ressourcen, die durch das ERP-System bereitgestellt werden, sowie die Gestaltung von Schnittstellen für eine optimale Prozessintegration spielen dabei eine wesentliche Rolle für den Projekterfolg.

Fazit

Die Implementierung eines ERP-Systems im mittelständischen Umfeld ist eine komplexe Herausforderung, die jedoch bei erfolgreicher Durchführung erhebliche Vorteile für das Unternehmen mit sich bringt. Eine maßgeschneiderte ERP-Lösung kann die Unternehmensprozesse effizienter gestalten, indem sie einen umfassenden Funktionsumfang bietet, der die spezifischen Anforderungen des Mittelstands adressiert. Die richtige Software zu finden, die sowohl die Prozesse optimiert als auch wertvolle Daten für betriebliche Entscheidungen bereitstellt, ist entscheidend für den langfristigen Einsatz und den Erfolg des Systems.

Die Komplexität der Auswahl und Implementierung erfordert eine sorgfältige Planung und Ressourcenallokation, um sicherzustellen, dass die Lösung nicht nur die aktuellen, sondern auch die zukünftigen Bedürfnisse des Unternehmens erfüllt. Der Schlüssel liegt darin, ein System zu wählen, das nicht nur mit den Unternehmensprozessen harmoniert, sondern auch die Flexibilität bietet, sich an verändernde Geschäftsanforderungen anzupassen.

Letztlich ist die Einführung eines ERP-Systems im Mittelstand ein strategischer Schritt, der, wenn er richtig ausgeführt wird, die betriebliche Effizienz steigert, die Datenverwaltung verbessert und einen klaren Weg für skalierbares Wachstum ebnet. Mit der richtigen Lösung und einem engagierten Implementierungsteam kann der Mittelstand die Herausforderungen meistern und die vielfältigen Vorteile eines modernen ERP-Systems voll ausschöpfen.

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Über den Autor

In seinen Artikeln zum Thema ERP-Software beleuchtet der erfahrene Projektmanager alle relevanten Prozesse. Neben dem Thema Wirtschaftlichkeit steht dabei vor allem die Motivation aller Beteiligten im Vordergrund. Mit seinem bedürfnisorientierten 360°-Konzept und dem 6-Phasen-Modell deckt er alle Aspekte eines erfolgreichen ERP-Projekts ab.