Die größte Herausforderung in der IT ist nicht die Technologie – es sind die Menschen. So betont Gene Kim in seinem Buch The Phoenix Project die Bedeutung von Menschen in der IT. Auch für die ERP-Einführung gilt: Wenn nicht die ganze Belegschaft an Bord geholt wird, ist die Gefahr des Misserfolgs hoch. Bevor mit dem Projekt gestartet wird, sollte also ein leistungsfähiges und ausgeglichenes Projektteam zusammengestellt werden. Doch welche Rollen existieren eigentlich in einem ERP-Projekt?
Rollen im ERP-Projekt
Ein erfolgreiches ERP-Projekt erfordert ein gut abgestimmtes Team mit klar definierten Verantwortlichkeiten. Meiner Meinung nach lassen sich die folgenden Rollen unterscheiden:
- Projektleitung – Koordiniert das gesamte Projekt, hält den Zeitplan ein und sorgt für eine reibungslose Kommunikation.
- Key User – Fachkundige Mitarbeitende, die als Schnittstelle zwischen den Endusern und dem Projektleiter fungieren.
- IT-Abteilung – Unterstützt die technische Umsetzung und sorgt für die Integration in die bestehende IT-Landschaft.
- Projektleiter des ERP-Anbieters – Verantwortlich für die externe Steuerung und die Einhaltung der vereinbarten Projektziele.
- Berater des ERP-Anbieters – Unterstützt bei der Implementierung, Anpassung und Schulung der Software.
- Geschäftsführung – Trifft strategische Entscheidungen und stellt die notwendigen Ressourcen bereit.
- Enduser – Arbeiten täglich mit dem System und sind entscheidend für den langfristigen Erfolg der Einführung.
Je nach Projektphase verändern sich die Prioritäten der einzelnen Rollen – doch dazu später mehr im Detail.
Projektteam – Die Rolle des Projektleiters
Die zentrale Rolle im ERP-Projekt – aus Unternehmenssicht – ist offensichtlich die des Projektleiters. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass das Projekt erfolgreich und effizient umgesetzt wird.
Zu seinen Hauptaufgaben gehören die Planung, Organisation und Koordination aller Projektaktivitäten. Er stellt sicher, dass Zeitpläne eingehalten, Budgetvorgaben berücksichtigt und Qualitätsstandards erfüllt werden. Mehr über die spezifischen Aufgaben eines ERP-Projektleiters findest du in meinem Blogbeitrag: Aufgaben des ERP-Projektleiters: Mehr als nur Projektmanagement
Doch nicht nur technisches Know-how ist gefragt. Ein erfolgreicher Projektleiter muss das Team motivieren, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen und über die gesamte Projektlaufzeit hinweg für Engagement und Zusammenhalt sorgen.
Die Wahl des richtigen Projektleiters ist zweifelsfrei keine einfache Aufgabe, daher habe ich diese Fragestellung in dem folgenden Artikel näher untersucht: Welche Person eignet sich als ERP-Projektleiter?
Projektteam – Die Rolle des Key Users
In einem meiner Projekte wurde der gesamte Versandbereich überarbeitet: Geführte MDE-Dialoge mit klaren Abläufen, automatisierte Prozesse und wenig Spielraum für „kreative Ideen“ der Mitarbeitenden, die zuvor oft zu fehlerhaften Datenstrukturen und aufwendigen Korrekturen führten. Soweit, so gut – sollte man meinen.
Doch bei der Schulung der Endnutzer und spätestens beim Echtstart zeigte sich ein Problem: Niemand konnte sich mit den neuen Prozessen identifizieren. Wichtige Aufgaben aus dem Tagesgeschäft wurden übersehen, weil die Betroffenen nicht frühzeitig eingebunden waren.
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie ein Key User nicht handeln sollte – nämlich isoliert und ohne Einbindung seines Teams.
Was macht einen guten Key User aus?
Ein guter Key User ist die Verbindung zwischen Projektleitung und Endusern. Er gibt fachliches Feedback zu den Softwareanforderungen und vertritt dabei seinen Bereich. Gleichzeitig informiert er seine Kollegen über Neuerungen, holt aktiv Feedback ein und sorgt für Akzeptanz im Team.
Die optimale Besetzung eines Key Users zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
- Engagement & Motivation – Der Key User sollte freiwillig mitwirken und echtes Interesse am Projekterfolg haben.
- Kommunikationsstärke – Er muss für das Projekt und die künftige Software werben, Kollegen informieren und Feedback einholen.
- Entscheidungsfreude & Befugnis – Er sollte innerhalb seines Bereichs Entscheidungen treffen und durchsetzen können.
- Teamfähigkeit – Das beste Fachwissen hilft wenig, wenn die Person in Konflikte mit anderen Bereichen verwickelt ist.
Herausforderungen bei der Auswahl
Die größte Herausforderung bei der Besetzung dieser Rolle ist oft die Verfügbarkeit. Häufig sind die besten Kandidaten im Tagesgeschäft unverzichtbar.
Denn ihre Aufgaben sind entscheidend: Anforderungen präzise definieren, Tests durchführen und die Endnutzer schulen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die neue Software erfolgreich eingeführt und akzeptiert wird.
Projektteam – Die Rolle der IT-Abteilung
Ohne die IT-Abteilung kommt kein IT-Projekt voran. Dennoch nimmt sie meist nur eine unterstützende Rolle im Projektteam ein. Ihr Fokus liegt auf den technischen Anforderungen und der Einrichtung der Infrastruktur – in enger Zusammenarbeit mit dem ERP-Anbieter. Dazu gehören beispielsweise:
- Bereitstellung der Cloud- oder Serverumgebung
- Einrichtung von mobilen Endgeräten, Druckern und Netzwerken
- Technische Unterstützung während der Implementierung
Mitarbeitende der IT-Abteilung, die sich besonders gut mit dem bestehenden ERP-System auskennen, können jedoch eine weit größere Rolle übernehmen – bis hin zur Projektleitung.
Eine zentrale Aufgabe der IT-Abteilung ist oft die Datenübernahme. Da sie das vorhandene System am besten kennen, sind sie prädestiniert dafür, die Datenextraktion, -bereinigung und -übernahme in das neue ERP-System zu begleiten.
Ob als technischer Support oder als tragende Säule des Projekts – die IT-Abteilung spielt eine wichtige Rolle für den reibungslosen Ablauf der ERP-Einführung.
Projektteam – Die Rolle des Projektleiters des ERP-Anbieters
Jeder ERP-Anbieter stellt einen eigenen Projektleiter, der den Projekterfolg sicherstellen soll. Er überwacht das Budget, den Projektplan und die Termineinhaltung – im Grunde übernimmt er ähnliche Aufgaben wie der unternehmensinterne Projektleiter.
Doch warum sollte man trotzdem nicht ausschließlich auf den Projektleiter des ERP-Anbieters setzen?
Die Antwort liegt in der unterschiedlichen Perspektive: Während der externe Projektleiter vor allem die Interessen des ERP-Anbieters im Blick hat, muss sichergestellt werden, dass die Einführung tatsächlich den individuellen Anforderungen und Zielen entspricht.
Warum es entscheidend ist, eine eigene Projektleitung beizubehalten, erkläre ich ausführlich in meinem Artikel: Wer leitet ein ERP-Projekt?
Projektteam – Die Rolle der Berater des ERP-Anbieters
Auch der ERP-Anbieter stellt ein eigenes Projektteam zusammen, das ähnlich strukturiert ist wie das des Unternehmens. Neben dem bereits erwähnten Projektleiter umfasst dieses Team vor allem ERP-Berater und – je nach Anbieter – auch Entwickler.
Jeder ERP-Berater ist auf einen bestimmten Fachbereich spezialisiert, beispielsweise Vertrieb, Einkauf oder Logistik. In manchen Fällen übernimmt ein Berater auch mehrere Bereiche. Die technische Umsetzung erfolgt entweder direkt durch den Berater oder wird an einen Entwickler weitergegeben – je nach Skill-Level und Struktur des Beratungsteams.
Enge Zusammenarbeit mit den Key Usern
Ein zentraler Erfolgsfaktor in ERP-Projekten ist die Zusammenarbeit zwischen den ERP-Beratern und den Key Usern. Gemeinsam wird die optimale Lösung für jeden Fachbereich erarbeitet, getestet und eingeführt.
Der Mehrwert der ERP-Berater
Der große Vorteil von ERP-Beratern liegt in ihrer Erfahrung:
- Sie haben bereits zahlreiche ERP-Einführungen begleitet
- Sie bringen bewährte Best Practices mit
- Sie helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden
- Sie ermöglichen eine schnellere und bessere Umsetzung
Durch ihr Fachwissen und ihre Erfahrung tragen die ERP-Berater maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei. Umgekehrt gilt allerdings: Sollte ein ERP-Berater nicht den Anforderungen entsprechen, darf man sich nicht scheuen, sich für einen Ersatz einzusetzen.
Projektteam – Die Rolle der Geschäftsführung
Auf den ersten Blick scheint die Geschäftsführung wie geschaffen für die Rolle der Projektleitung. Sie besitzt die notwendige Entscheidungsgewalt, agiert unternehmerisch in Bezug auf das Budget und hat die Gesamtperspektive im Blick. Doch warum ist das trotzdem keine gute Idee?
Warum die Geschäftsführung nicht die Projektleitung übernehmen sollte
- Zeitliche Einschränkungen – Die ERP-Projektleitung erfordert einen hohen Zeiteinsatz, den die Geschäftsführung aufgrund anderer Verpflichtungen kaum leisten kann.
- Gefahr von Verzögerungen – Eine stark ausgelastete Geschäftsführung kann nicht immer schnell genug auf Herausforderungen reagieren, was den Projekterfolg gefährdet.
- Fehlende Eskalationsinstanz – Wenn die Geschäftsführung selbst die Projektleitung übernimmt, fehlt eine übergeordnete Instanz, an die sich das Team bei Problemen wenden kann.
- Neutralität bei Konflikten – Innerhalb des Teams kann es zu Spannungen kommen, etwa zwischen Key Usern und der Projektleitung. Eine unabhängige Geschäftsführung kann hier als Schlichter auftreten.
Welche Rolle sollte die Geschäftsführung stattdessen übernehmen?
Die Geschäftsführung ist weit mehr als nur ein Streitschlichter. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, das Projekt aktiv zu unterstützen und als Vorbild voranzugehen:
- Rückhalt für den Projektleiter – Ein klares Bekenntnis zum Projekt stärkt das Team und die Akzeptanz im Unternehmen.
- Freiräume schaffen – Mitarbeitende müssen zeitweise freigestellt werden, um sich intensiv mit dem Projekt befassen zu können.
- Befugnisse gewähren – Das Projektteam sollte eigenständig Entscheidungen treffen dürfen, um effizient arbeiten zu können.
Durch eine aktive, aber nicht operative Rolle sorgt die Geschäftsführung für die notwendigen Rahmenbedingungen, damit das ERP-Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann.
Projektteam – Die Rolle der Enduser
Last but not least: die Enduser. Genau genommen gehören sie nicht direkt zum Projektteam, doch ihre Bedeutung für den Projekterfolg ist enorm – und deshalb verdienen sie hier einen Platz.
Am Ende sind es alle Mitarbeitenden des Unternehmens, die darüber entscheiden, ob das ERP-Projekt als Erfolg oder Misserfolg wahrgenommen wird. Das oberste Ziel jeder Softwareeinführung ist es, eine Lösung zu schaffen, mit der die Mitarbeiter gerne arbeiten und die einen echten Mehrwert für das Unternehmen bietet.
Warum die Enduser entscheidend sind
- Akzeptanz entscheidet über den Projekterfolg – Selbst die beste Software nützt nichts, wenn sie nicht angenommen wird.
- Wertvolle Praxiserfahrung – Die Enduser kennen die alltäglichen Prozesse und Anforderungen aus erster Hand.
- Unverzichtbares Feedback für Key User – Ihre Expertise ist entscheidend, um die Software an die tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen.
Wann und wie werden die Enduser einbezogen?
Obwohl sie erst kurz vor dem Echtstart direkt mit der neuen Software arbeiten, sollten sie bereits frühzeitig über das Projekt informiert und – wo möglich – eingebunden werden. So können Akzeptanzprobleme vermieden und eine reibungslose Einführung sichergestellt werden.
Ein erfolgreiches ERP-Projekt endet nicht mit der technischen Implementierung – sondern mit der täglichen, effizienten Nutzung durch die Enduser.
Fazit: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im richtigen Projektteam
Ein ERP-Projekt ist weit mehr als nur eine technische Implementierung – es ist eine tiefgreifende Veränderung für das gesamte Unternehmen. Daher wird der Erfolg nicht nur durch die Software selbst, sondern auch durch die Menschen, die das Projekt gestalten, definiert.
Ein ERP-Projekt ist Teamarbeit. Jede Rolle hat ihre eigene, wichtige Funktion – und nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten kann eine reibungslose Einführung sichergestellt werden.
Denn am Ende entscheidet nicht nur die Software, sondern vor allem das Engagement, die Kommunikation und das Zusammenspiel des gesamten Projektteams über den Erfolg.