Erfolgsstrategie 3: Abgestimmte Erwartungen im ERP-Projekt

Erwartungen im ERP-Projekt

Inhaltsangabe

Die Implementierung eines neuen IT-Systems verspricht effizientere Prozesse, bessere Datenanalysen und damit eine höhere Transparenz im Unternehmen. Doch zwischen diesen Erwartungen im ERP-Projekt und der Realität liegt häufig eine große Lücke – ein hohes Konfliktpotential zwischen Unternehmen und Softwaredienstleister.

Die typischen Erwartungen in ERP-Projekten

 UnternehmenSoftwaredienstleister
1Maßgeschneiderte Lösung, abgestimmt auf spezifische ProzesseStandardnahe Einführung mit möglichst wenigen Anpassungen
2Schnelle Implementierung ohne Unterbrechungen im TagesgeschäftSchrittweise Implementierung mit kontinuierlichen Anpassungen
3Intuitive Benutzeroberfläche und geringer SchulungsaufwandEigenverantwortung und Mitwirkung des Kunden
4Fixe Budgets, klare Zeitpläne, keine unerwarteten ZusatzkostenRealistische und Branchenübliche Erwartungen an Budget und Zeitplan
5Hohe fachliche Erwartungen an das Projektteam des Dienstleisters: „Die Profis machen dies täglich“.Ausführliche Informationen zu den Unternehmensprozessen: „Jedes Projekt und Unternehmen arbeitet anders, auch in der gleichen Branche“.

Erwartungen im ERP-Projekt an Profis

Wie der obigen Tabelle zu entnehmen ist, basieren viele Konflikte auf unerfüllten Erwartungen. Dies liegt auf Unternehmensseite hauptsächlich daran, dass die Erfahrungswerte mit einem solchen Projekt fehlen. Denn in der Regel erfolgt ein ERP-System-Tausch nur „einmal im Berufsleben“. Neben den unterschiedlichen Erwartungshaltungen betreffend Zeitaufwand des Kunden und Budget (Punkte 1 – 4), trägt auch der Anspruch an den Softwaredienstleister maßgeblich zu Konflikten bei (Punkt 5).

Von den Profis wird erwartet, dass Sie sich mit der Branche, den Unternehmensprozessen und der Software bis ins kleinste Detail auskennen. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass jedes Projekt und jedes Unternehmen unterschiedliche Rahmenbedingungen aufweisen. Auch der IT-Dienstleister muss sich in jeden Kunden und dessen spezifische Prozesse neu eindenken. Dabei überlegen die Berater gründlich, wie sie die individuellen Anforderungen bestmöglich und gleichzeitig möglichst standardnah umsetzen können. Immer unter der Berücksichtigung, dass sich der Software-Standard ständig ändert. Die Branchenerfahrung des Beraters hilft dabei maßgeblich, doch sollte man bedenken, dass viele Berater erst 0-3 Jahre für einen Anbieter tätig sind. Oftmals werden mehrere jüngere Berater einem ERP-Projekt zugeteilt und dazu ausgewählte, erfahrene Berater zur Unterstützung und Leitung. Selbst wenn das Beraterteam überaus erfahren ist, bedeutet es aber nicht, dass man hier direkt auf maßgeschneiderte fertige Lösungen hoffen kann, die bestenfalls auch schon kostenlos und im Standard vorhanden sind. 

Im Laufe des Projekts wächst die Frustration auf beiden Seiten: Unternehmen sind überrascht von unerwarteten Kosten und längeren Implementierungszeiten. Währenddessen Dienstleister ständig wachsenden Anforderungen und unrealistischen Sichtweisen gegenüberstehen. Dazu kommt, dass Ziele wie Arbeitserleichterung und kürzere Bearbeitungszeiten der Aufgaben durch ein neues System nicht direkt nach Echtstart erreicht werden. Es wird einige Zeit benötigt, bis sich alle Mitarbeiter ausreichend mit dem neuen ERP-System vertraut gemacht haben und routiniert damit arbeiten können. Daher kann es im ersten Moment so wirken, als seien die Projektziele nicht erreicht worden.

Lösungsansatz: Zusammenarbeit klar regeln

Klar ist, die Konflikte lassen sich nicht komplett vermeiden. Allerdings können Unternehmen den Umgang damit von Beginn an steuern und die Erwartungen im ERP-Projekt bereits im Auswahlverfahren abstimmen. Wichtig ist dabei direkt die Vorbereitung auf die Anbieterpräsentation, sodass die eigenen Erwartungen bereits konkret beschrieben wurden und als Basis dienen.

Als Unternehmen müssen sie darauf vertrauen, dass der Dienstleister offen über die Grenzen und die Möglichkeiten seiner Software spricht. Trotzdem gilt: kein System ist perfekt und manche Prozesse müssen angepasst werden. Ein agiler Ansatz mit regelmäßigen Feedbackschleifen kann helfen, die Erwartungen anzupassen und unnötige Programmierungen zu vermeiden. Um den Erfahrungswert der Berater im Vorfeld abschätzen zu können, kann das Einfordern von einer Kurzvita inkl. der Referenzen für das gesamte Kernteam des Softwareanbieters hilfreich sein. Notfalls kann man so über eine unglückliche Zusammensetzung des Teams direkt zu Projektbeginn sprechen oder aber das Projektteam vertraglich sichern.

Auch die Formulierung von Rechten und Pflichten, z.B. in Form einer Aufgabenteilung nach der RACI-Matrix, kann dazu beitragen, die Erwartungshaltungen abzustimmen. Der Aufwand wird häufig als zu groß eingeschätzt, sodass von einer solchen Regelung im Vorfeld abgesehen wird. Doch vielleicht kann man sich hier auf einen Mittelweg einlassen und sich auf bestimmte Phasen konzentrieren, die sich im Projektverlauf immer wiederholen werden. Ein Beispiel dafür sind Testphasen: Die Keyuser sind in dieser Phase zeitlich stark eingebunden, ebenso wie die Mitarbeiter des Softwaredienstleisters. Außerdem haben Testphasen eine hohe Relevanz für den Projektfortschritt und Projekterfolg. Daher ist es sinnvoll, die Aufgabenteilung vor der ersten Testphase detailliert zu regeln und nach jeder Phase anzupassen. So ist für alle zukünftigen Tests klar geregelt, wer welche Mitwirkungsleistung erbringen muss.

Fazit

Transparente Kommunikation, realistische Ziele und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sind die Schlüsselfaktoren, um Konflikte im Projekt zu minimieren. Es lohnt sich, direkt zu Beginn über die verschiedenen Erwartungen im ERP-Projekt zu sprechen: Treten die Differenzen erst im Projektverlauf auf, sind Konfliktgespräche unvermeidlich – jedoch meist unter schlechteren Rahmenbedingungen.

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Über den Autor

In seinen Artikeln zum Thema ERP-Software beleuchtet der erfahrene Projektmanager alle relevanten Prozesse. Neben dem Thema Wirtschaftlichkeit steht dabei vor allem die Motivation aller Beteiligten im Vordergrund. Mit seinem bedürfnisorientierten 360°-Konzept und dem 6-Phasen-Modell deckt er alle Aspekte eines erfolgreichen ERP-Projekts ab.