Ablauf eines ERP-Projekts

Der Ablauf eines ERP Projektes wird geplant und besprochen.

Inhaltsangabe

Die Implementierung eines ERP-Systems ist ein entscheidender Schritt für Unternehmen, um ihre Prozesseffizienz zu steigern und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Dieser umfassende Leitfaden führt Sie durch die sechs kritischen Phasen eines ERP-Einführungsprojekts, um Ihnen eine klare Vorstellung davon zu geben, was jedes Stadium beinhaltet und wie lange der gesamte Prozess dauern könnte.

Wichtiger Hinweis: Nicht jedes ERP-Projekt hat denselben Ablauf. Dauer und Ablauf des Projektes hängen von verschiedenen Faktoren ab. Hier spreche ich über einen Ablauf, wie er in den meisten Fällen stattfindet.

Phase 1: Die Orientierungsphase

Fangen wir mit der Orientierungsphase an. Der Hauptnutzen dieser Phase liegt in der Festlegung einer systemunabhängigen Gesamtstrategie, sowie in der Vorbereitung der Anbieterauswahl. Es werden Strategien für die folgenden Phasen festgelegt, erste Budgets besprochen und Rahmenparameter analysiert (Verfügbarkeiten, Ansätze, Methodiken).

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Zusammenstellung des Projektteams. Zusammen mit der internen Projektleitung bespricht man die notwendigen Schlüsselrollen und identifiziert die geeigneten Mitarbeiter und Stellvertreter. Man legt auch fest, ob das Projektteam für die Phase 2 (Anbieter- und Systemauswahl), das gleiche ist wie für die weiteren Phasen, oder ob man ggf. mehr Mitarbeiter mit in die Auswahl einbinden möchte. Das festgelegte Projektteam wird dann in der grundsätzlichen Durchführung von ERP-Projekten geschult.

In der Mitte steht das Wort Team, darum herum lauter Stecknadeln.

Die Orientierungsphase bildet das Fundament des Projektes und umfasst:

  • Entwicklung einer systemunabhängigen Gesamtstrategie.
  • Vorbereitung der Anbieterauswahl durch Analyse der Rahmenparameter.
  • Bildung des Projektteams und Schulung in den Grundlagen von ERP-Projekten.

Phase 2: Anbieter- und Systemauswahl

In der nächsten Phase findet eine Anbieter- und Systemauswahl statt mit folgenden Teilschritten:

  • Analyse und Dokumentation der Anforderungen
  • Anbieterrecherche
  • Versendung von Ausschreibungsunterlagen inkl. der Auswertung der Antworten (ca. 8 – 10 Anbieter)
  • Halbtägige Workshops mit infrage kommenden Anbietern (4-5)
  • Detailworkshops mit 2-3 Anbietern (ca. 2 Tage pro Anbieter)
  • Verhandlungen (kaufmännisch und juristisch) mit 1-2 Anbietern (idealerweise 2)

Je nachdem wie detailliert man die Anforderungen dokumentiert und je nachdem wie klar dem Projektteam die Anforderungen aus der Orientierungsphase schon sind, kann man für die Aufnahme 4-6 Wochen ansetzen. Zwei weitere Monate kann es dauern, bis die Kandidaten für die Kurzworkshops gefunden wurden. Dann stehen Kurzworkshops, Detailworkshops und Vertragsverhandlungen an.

Phase 3: Projektvorbereitung

Diese Phase kann bei cleverer Planung gut innerhalb der Vorlaufzeit des Anbieters durchgeführt werden. Aktuell werden, meiner Erfahrung nach, von Anbietern ca. 1,5 – 6 Monate Projektvorlaufzeit zwischen Vertragsunterschrift und Projektkickoff aufgerufen. Eine lange Zeitspanne die man definitiv nicht verschwenden darf. Es gibt viel zu tun und die Anbieter sind natürlich auch darauf bedacht, Ihrem Unternehmen mit einigen Dienstleistungen in dieser Phase zu helfen.

Je länger die Vorlaufzeit des Anbieters ist, desto wichtiger ist es Themen zu identifizieren, welche sich so vorbereiten lassen, dass die entsprechende Zeit in der 4. Phase (Projektdurchführung) eingespart wird. Die Möglichkeiten hängen natürlich stark von Ihrem Unternehmen und dem Projekt ab, aber hier mal ein paar Ideen:

  • Erstellung Projektphasenplan (nicht zu verwechseln mit der Erstellung des Detailplans der ersten Konzeptphase)
  • Vorbereitung der ersten Datenübernahme, Erstellung Datenübernahmekonzept, Export erster Stammdaten
  • Aufstellung und Abnahme der Report / Formularliste
  • Aufnahme der Geschäftsprozesse und Bestimmung der Prozessverantwortlichen (falls nicht bereits in Phase 1 geschehen)
  • Aufbau des Projektcontrollings (Budget, Zeit, Fortschritt)
  • Aufbau des Projektscoreboards, um Kennzahlen und Erfolge zu visualisieren
  • Grundschulung der Keyuser in der ausgewählten Software
  • Weitere Schulungen der internen Projektleitung, um ein effizientes, nutzenorientiertes, Projektvorgehen sicherzustellen

Phase 4: Projektdurchführung

Üblicherweise kann man die Tätigkeiten, welche bei der Systemeinführung durchzuführen sind, in gewisse Gruppen einteilen. Diese Gruppen werden dann auch oft zu den Projektphasen, gerade in den unterschiedlichsten Wasserfallmodellen:

  • Grobkonzept
  • Feinkonzept
  • Implementierung
  • Funktionstests
  • Integrationstests
  • Go-live Vorbereitung (z. B. Enduser-Schulung)
  • Go-live

Ich gebe zu, diese Darstellung ist stark vereinfacht. Die Tätigkeiten, die sich hinter diesen Phasen verbergen, sind unabhängig von der Projektmethodik, die man mit dem Anbieter vereinbart oder die Regularien bezüglich des Projekts.d. Natürlich könnte ich hier jetzt zu all diesen einzelnen Punkten der Vorgehensweise seitenlang schreiben, wodurch sie beeinflusst werden, welche Projektmethodik welche Vor- und Nachteile hat usw., aber wir wollen mal nicht vom Thema abkommen.

Des Weiteren möchte ich hier anmerken, dass es meist wenig Sinn ergibt, das Projekt künstlich auf eine kurze Durchlaufzeit zu planen. Was am Anfang in den Plänen gut aussieht, muss auch wirklich durchführbar sein. Überwiegend ist der limitierende Faktor die eigene Verfügbarkeit aufseiten der Keyuser. Natürlich gibt es auch immer mal wieder andere Flaschenhälse, auch aufseiten der Anbieter, aber ich würde mal sagen zu 80% sind es die eigenen Mitarbeiter, die ja nur in den seltensten Fällen für ein solches Projekt freigestellt werden können. Insofern ergibt es Sinn, die eigene Verfügbarkeit kritisch zu beleuchten und von Anfang an einen realistischen Projektplan aufzustellen.

Phase 4.5: Der Echtstart

Echtstarts laufen meiner Erfahrung nach nicht unbedingt so ab, wie man sich das vorstellt. Im Gegensatz zu der oft vertretenen Meinung, dass es am Tag 1 am schlimmsten ist und dann konstant abnimmt, ist meine Erfahrung, dass am Echtstartwochenende und am Tag 1 durchaus einige Aufgaben zu bewältigen sind, jedoch ist der Betrieb meist relativ entspannt. Das gilt auch für die darauffolgenden Tage, bis man sich in Sicherheit wiegt.

Dann kann es aber vorkommen, dass schleichend die Aufgaben zunehmen, und auch komplexer werden. Dies hat damit zu tun, dass oftmals die Dinge falsch laufen, deren Auswirkungen man erst einige Tage später bemerkt. Des Weiteren kann es vorkommen, dass der interne Support mit den Themen noch überfordert ist, und sich das erst zeigt, wenn die Berater langsam zurückziehen.

Headset liegt neben einem Notebook.

Kurzum: aus meiner Sicht sollte man die Echtstartphase ruhig etwas länger planen, ca. 2 Monate z. B., und dafür die Unterstützungstage des Anbieters auf diesen Zeitraum strecken. Aus meiner Erfahrung führt diese Verlängerung der Supportphase nicht zu einer Erhöhung der Kosten, sondern sorgt lediglich für eine effektivere Nutzung der genutzten Zeiten.

Viele denken, dass jetzt das ERP-Projekt beendet ist. Doch wir haben noch ein paar weitere wichtige Punkte im Ablauf des Projektes.

Phase 5: Roll-Outs

Diese Phase ist nicht in jedem Ablauf eines ERP-Projekts vorhanden. Die Phase 4, also die Projektdurchführung endet mit dem „ersten“ Echtstart und der damit verbundenen Echtstartbetreuung, neudeutsch Hypercare-Phase. Wenn Ihr Unternehmen mehrere Standorte hat, oder sich in der Projektvorbereitung gezeigt hat, dass man nicht mit einem Big-Bang starten möchte, haben Sie nach dem ersten Echtstart noch einiges zu tun. Da es hier aber um die Projektdauer geht, und die Phase 5 je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ist, möchte ich an dieser Stelle keine wirren Schätzungen, hinsichtlich durchschnittlicher Dauer der Rollouts, abgeben.

Phase 6: Systempflege / Weiterer Ausbau

Diese Phase addiert sich nicht mehr zu der zu betrachtenden Projektlaufzeit, hat aber trotzdem einen massiven Einfluss auf eben jene und darf hier somit nicht vergessen werden. Spätestens in Phase 2, im Rahmen der Anforderungsanalyse, werden erste Entscheidungen hinsichtlich der Priorität von Funktionalitäten getroffen. Dies kann sich auf einzelne Funktionen, wie gewisse Automatismen, beziehen, oder aber auf ganze Module, wie ein Modul zur Qualitätssicherung oder CRM. Diese oder andere Module werden vielleicht aktuell auch nicht im ERP abgebildet und somit ist es kein Verlust, wenn diese erst nach dem eigentlichen Echtstart angegangen werden.

Ich empfehle Ihnen schon während der Anforderungsanalyse sehr genau darauf zu achten, welche Teile des zukünftigen ERP-Systems in eine zweite Phase verschoben werden können. Dies verschlankt das Hauptprojekt und trägt massiv dazu bei, dass das Projekt beherrschbar bleibt. Des Weiteren werden die Bereiche dann eingeführt, wenn die Mitarbeiter schon eine Menge Wissen über das neue System gesammelt haben und somit ist die Stufe 2 meist wesentlich entspannter und kostengünstiger.

Wichtig an der Stufe 2 ist, sie direkt grob mit in den Projektplan aufzunehmen. Dies hat den Effekt, dass die Mitarbeiter direkt sehen, wohin ihre Anforderungen verschoben werden. Zu leicht entsteht der Eindruck, dass Anforderungen ausgesessen werden und somit entsteht die gefürchtete „wenn ich es mir jetzt nicht wünsche, bekomme ich es nie“ Mentalität. Und die kann nun wirklich niemand benötigen.

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Über den Autor

In seinen Artikeln zum Thema ERP-Software beleuchtet der erfahrene Projektmanager alle relevanten Prozesse. Neben dem Thema Wirtschaftlichkeit steht dabei vor allem die Motivation aller Beteiligten im Vordergrund. Mit seinem bedürfnisorientierten 360°-Konzept und dem 6-Phasen-Modell deckt er alle Aspekte eines erfolgreichen ERP-Projekts ab.