Kern-Aufgaben eines ERP-Projektleiters: Eine Übersicht
Befragt man ChatGPT nach den Aufgaben eines ERP-Projektleiters, bekommt man schon einmal eine gute Übersicht über die Aufgaben, die üblicherweise ein ERP-Projektleiter im Unternehmen übernimmt:
- Projektplanung: Der Projektleiter definiert die Ziele, den Umfang und die Meilensteine des ERP-Projekts. Er erstellt einen detaillierten Projektplan, der die Ressourcen, den Zeitplan und die Abhängigkeiten berücksichtigt.
- Teamführung: Der Projektleiter stellt ein Team von Fachleuten zusammen und weist ihnen Aufgaben zu. Er ist verantwortlich für die Motivation des Teams, die Förderung der Zusammenarbeit und die Sicherstellung eines reibungslosen Informationsflusses.
- Budgetierung und Ressourcenmanagement: Der Projektleiter überwacht das Budget des ERP-Projekts und stellt sicher, dass die finanziellen Ressourcen effektiv eingesetzt werden. Er plant den Einsatz von Personal, Hardware, Software und anderen benötigten Ressourcen.
- Kommunikation und Stakeholder-Management: Der Projektleiter fungiert als zentraler Ansprechpartner für alle Stakeholder des ERP-Projekts, einschließlich des Managements, der internen Teams, externer Berater und Lieferanten. Er kommuniziert regelmäßig den Projektstatus, klärt Anforderungen und löst Konflikte.
- Risikomanagement: Der Projektleiter identifiziert potenzielle Risiken und entwickelt Strategien zur Risikominderung. Er überwacht aktiv den Projektfortschritt, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
- Qualitätssicherung: Der Projektleiter stellt sicher, dass das ERP-System den definierten Qualitätsstandards entspricht. Er plant und koordiniert Tests, führt Qualitätsprüfungen durch und sorgt für die Schulung der Benutzer.
- Change Management: Der Projektleiter unterstützt die Organisation bei der Umstellung auf das neue ERP-System. Er entwickelt Change-Management-Strategien, kommuniziert Änderungen an die betroffenen Parteien und unterstützt bei der Schulung und Anpassung der Arbeitsabläufe.
- Projektdokumentation: Der Projektleiter führt eine umfassende Dokumentation aller Projektschritte, Entscheidungen und Ergebnisse. Dies umfasst die Erstellung von Projektberichten, Präsentationen und anderen relevanten Unterlagen.
Diese Übersicht ist sicherlich nicht falsch und es ist eine Liste, wie man sie so, oder so ähnlich, an vielen Stellen im Internet findet. Alle genannten Themen gehören definitiv zu den Aufgaben eines ERP-Projektleiters, allerdings kann man nicht behaupten, dass eine Erfüllung dieser acht Aufgaben, sozusagen automatisch, zu einer gelungenen ERP-Einführung führen. Viel mehr beziehen sich diese Tätigkeiten rein auf die handwerklichen Kernaufgaben eines „normalen“ Projektleiters und somit greift die Liste doch ein klein wenig zu kurz.
Warum ERP-Projekte nicht nur aus 2 Phasen bestehen: Ein Einblick ins 6-Phasen-Modell
Bezogen auf mein 6-Phasen-Modell kann man anmerken, dass die hier dargestellten Aufgaben hauptsächlich in der Phase 3, der Projektvorbereitung und der Phase 4, der Projektumsetzung anfallen. Aber nicht ohne Grund gibt es 6 Phasen und nicht nur 2. Des Weiteren kann hier der Eindruck gewonnen werden, ERP-Projekte wären eigentlich wie andere Projekte auch, und jemand, der erfolgreich einen Hausbau, oder die unternehmensweite Einführung einer bestimmten Software geleitet hat, auch in der Lage ist, ein ERP-System professionell durchzuführen. Aus meiner Erfahrung glaube ich sagen zu können, dass gerade diese Einschätzung eine ist, die neben der Unterschätzung der benötigten Ressourcen zu einem Großteil für Schieflagen in ERP-Projekten verantwortlich ist. Sosehr es in der Theorie richtig sein müsste, dass ein guter Projektleiter viele Arten von Projekten zum Erfolg führen kann, so muss ich es doch für ERP-Projekte bezweifeln (und ich nehme an Spezialisten aus dem Baubereich würden ähnliches für ihren Bereich behaupten).
Aber kommen wir zurück zu den Aufgaben des ERP-Projektleiters.
Erfahrung zählt: Die oft übersehenen Aufgaben eines ERP-Projektleiters
Ergänzend zu den oben aufgeführten Aufgaben würde ich doch mal zumindest die folgenden anführen wollen. Die folgenden Aufgaben sind dadurch charakterisiert, dass es bedeutend schwieriger ist, sie zu meistern, ohne Erfahrungen mit der Leitung von ERP-Projekten vorweisen zu können.
Verstehen der IST-Situation:
Es ist essenziell, die aktuelle ERP-Situation des Unternehmens, und somit die ggf. bereits getroffenen Entscheidungen zu verstehen. Die Strategie und die zukunftsweisende Ausrichtung muss durch alle 6 Phasen hindurch im Fokus stehen, allerdings hilft das Verständnis für das IST dabei, das Unternehmen und die handelnden Personen zu verstehen.
Vermeidung von unnötiger Belastung der Geschäftsführung und des Managements:
Die Führung eines ERP-Projekts gehört nicht zu den Kernaufgaben eines Geschäftsführers und auch nicht zu den Kernaufgaben des mittleren Managements. Dementsprechend ist es wichtig diese Personen / Stakeholder nur dann zu involvieren, wenn es wirklich notwendig ist und sie nicht damit, im Tagesgeschäft unnötig zu belasten. Natürlich gibt es Entscheidungen, die nicht das Projektteam treffen kann und natürlich gibt es Termine wie Lenkungskreise, an denen die Geschäftsführung teilnimmt. Die meiste Zeit (und solange es keine Eskalationen gibt), wird das Management allerdings kontinuierlich informiert, anstatt jede Entscheidung, und sei sie noch so klein, extra absegnen zu lassen.
Ressourcenschonung:
Diese Aufgabe ist zwar weiter oben bereits in dem Punkt Ressourcenmanagement erwähnt, jedoch muss sie auch hier noch einmal ihren Platz finden. Die Mitarbeitersituation, welche ich aktuell in Unternehmen vorfinden, bedingt, dass die Keyuser eines ERP-Projekts möglichst effektiv und effizient arbeiten müssen. Dazu gehören optimale Rahmenbedingungen, eine saubere und effektive Planung der Aufgaben, aber auch die strikte Vermeidung unnötiger Aufgaben. Kaum etwas ist schlimmer, als einem Mitarbeiter sagen zu müssen, dass seine Arbeit zwar fachlich in Ordnung, für das Projekt aber, wie sich leider im Nachhinein erst herausstellt, absolut überflüssig war. Um diese Situationen zu vermeiden, muss der Projektleiter zu jeder Zeit wissen, welches die nächsten Schritte sind und wie sie vorzubereiten sind.
Orientierung am Machbaren:
Es gibt überall im Netz Vorlagen, Lehrmeinungen und Ansätze, wie man ein ERP-Projekt ideal aufsetzt, professionell durchführt und wie auf Schienen zum Erfolg führt. Diese Informationen sind auch schon viele Jahre verfügbar. Trotzdem ist es weiterhin so, dass ERP-Projekte zu einem nicht gerade kleinen Teil scheitern, mit teils katastrophalen Auswirkungen. Die Machbarkeit der eigenen Pläne muss bei der kontinuierlichen Projektplanung stets im Auge behalten werden. Dabei hilft dem Projektteam und insbesondere dem Projektleiter die Erfahrung aus vorherigen Projekten. Der beste Plan bringt nichts, wenn er sich nicht an den gegebenen Bedingungen im Unternehmen orientiert.
Kenntnisse über Methoden und Strategien:
Man muss nur das Thema Datenübernahme anführen, um klarzumachen, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze gibt, wie man bestimmte Aufgabenstellungen in einem Projekt angehen und lösen kann. Dabei gibt es nur selten ein richtig und falsch, sondern alle Ansätze kommen mit Pros und Contras daher, welche bewertet werden wollen. Nur so kann man aus den unterschiedlichen Ansätzen den richtigen ermitteln, oder aber aus unterschiedlichen Ansätzen und Methoden einen individuellen Ansatz für Ihr Unternehmen neu kreieren. Hier nur kurz ein paar Fragen aus dem Bereich der Datenübernahmestrategien:
- Werden Stammdaten 1:1 übernommen, oder müssen diese bereinigt werden?
- Wo findet eine Bereinigung von Stammdaten statt? Bereits im Altsystem oder während der Übernahme
- Werden Bewegungsdaten wie Aufträge, Bestellungen etc. beim Echtstart übernommen oder manuell neu eingegeben
- Passiert die Datenübernahme statisch über Excellisten, oder wird es eine laufende Migration direkt aus den Altdaten geben
Diese Liste könnte man noch weiterführen, allerdings soll diese nur zur Veranschaulichung dienen. Aussagen des Implementierungspartners wie: „Wir haben eine Excelanbindung und werden Ihre Mitarbeiter entsprechend schulen“ sind sicherlich nicht gelogen, aber auch wenig hilfreich, denn dann liegt es an Ihnen.
Fazit
Die Rolle des ERP-Projektleiters ist komplex und geht weit über die grundlegenden Aufgaben des Projektmanagements hinaus. Neben den Kernverantwortlichkeiten, wie Projektplanung und Teamführung, sind ein tiefes Verständnis der IST-Situation, Ressourcenschonung und die Fähigkeit, sich am Machbaren zu orientieren, entscheidend. Die Erfahrung in der Leitung von ERP-Projekten ist unerlässlich, um sowohl die handwerklichen als auch die spezifischen Herausforderungen zu meistern und ein erfolgreiches Projekt zu gewährleisten.